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Individuelle Dosisanpassung häufig verwendeter Chemotherapeutika - ergänzende pharmakogenetische Diagnostik -

Chemotherapeutika in der Tumortherapie wirken nicht bei jedem Patienten gleich. Ursächlich für die Variabilität der Medikamentenwirkung sind unsere Erbanlagen, die die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Prozesse eines Arzneimittels beeinflussen.

Genetisch bedingte Varianzen der Enzymaktivität gehen mit unterschiedlich schnellem Abbau der Arzneimittel einher. Als Folge können bei Patienten mit verlangsamtem Arzneimittelmeta­bolismus unter Standarddosierung des Arznei­mittels schwere bis lebensbedrohliche Neben­wirkungen auftreten.

Ziel der Pharmakogenetik ist es, durch Unter­suchung von entsprechenden Genvarianten, Voraussagen über die Wirksamkeit und Verträg­lichkeit von Arzneimitteln machen zu können. Dieses Vorgehen ermöglicht eine individualisierte Pharmakotherapie.

Die Analyse auf Anlageträgerschaft für diese Genvarianten vor Beginn einer Chemotherapie macht eine individuelle Dosisanpassung möglich und vermeidet gefährliche Nebenwirkungen.

Wir weisen darauf hin, dass bei Therapiebeginn trotz prätherapeutischer Testung auf Genvarian­ten, die in den Fachinformationen empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen und Untersuchungen zu beachten sind.

Thiopurin-Toxizität → TPMT-Genanalyse

Thiopurine (Azathioprin, 6-Mercaptopurin, 6-Thioguanin) werden als Zytostatika und Immunsuppressiva eingesetzt. Substanzen dieser Gruppe metabolisiert das Enzym Thiopurin-S-Methyltransferase (TPMT). Genvarianten im TPMT-Gen (TPMT*2/*3A-C) sind mit herabgesetzter bzw. fehlender Enzym­aktivität assoziiert, wodurch der Abbau der Wirk­stoffe eingeschränkt ist. Rund 0,3% der Europäer sind homozygote bzw. 10% heterozygote Träger von zwei bzw. einem TPMT-Mangelallel (=komplette bzw. partielle TPMT-Defizienz). Eine komplette TPMT-Defizienz geht unter Standard-dosierung fast immer mit schweren unerwarteten hämatologischen Nebenwirkungen einher, so dass bei diesen Patienten eine Thiopurin-Therapie kontraindiziert ist oder nur bei erheb-licher Dosisreduzierung erfolgen darf. Auch bei partieller TPMT-Defizienz ist das Risiko für Nebenwirkungen infolge der Einnahme thiopurin-haltiger Arzneimittel erhöht und es sollte eine Dosisanpassung erfolgen.

Irinotecan-Toxizität → UGT1A1-Genanalyse

Die Uridin-Diphosphat-Glucuronosyltransferase 1A1 (UGT1A1) ist entscheidend am Abbau von Irinotecan, einem Zytostatikum zur Darmkrebs-behandlung, beteiligt. Durch Glukuronidierung wird der zytotoxisch wirksame aktive Metabolit von Irinotecan (SN38) in den inaktiven Metabo­liten (SN38G) umgewandelt und so ausgeschie­den. Bei Vorliegen einer genetischen Variante (UGT1A1*28-Allel) ist die Synthese des Enzyms auf ca. 30% des Normwertes gesenkt, wodurch die Entgiftungsleistung für Irinotecan stark redu­ziert wird. Bereits heterozygote Träger des UGT1A1*28-Allels sind gefährdet unter Standard-dosierung unerwartete toxische Neben­wirkungen zu entwickeln. Etwa 11% der Europäer sind homozygote und 55% sind heterozygote Träger des UGT1A1*28-Allels.

Methotrexat-Toxizität → MTHFR-Genanalyse

Das Zytostatikum und Immunsuppressivum Methotrexat (MTX) greift in den Folsäurestoff­wechsel ein und agiert hier besonders mit dem Enzym Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR). Zwei genetische Varianten (C677T und A1298C) im MTHFR-Gen führen zu einem Enzym mit herabgesetzter Aktivität, woraus ein erhöhtes Risiko für unerwartete toxische Neben­wirkungen unter Methotrexat-Therapie resultiert. Bei Patienten, welche homozygot bzw. hetero­zygot für die genetische Variante C677T sind (ca. 10% bzw. 40% der Europäer), beträgt die Rest­aktivität des Enzyms nur 35-60%.

5-Fluorouracil-Toxizität → DPYD-Genanalyse

Bei der Chemotherapie mit 5-Fluorouracil (5-FU) bzw. seiner Vorstufen Capecitabin oder Tegafur ist die Funktionalität der Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPYD) als wichtigstes Abbau­enzym von entscheidender Bedeutung. Rund 80% des verabreichten 5-FU wird durch DPYD abgebaut. Bei Patienten mit DPYD-Mangel ist der Abbau gestört, so dass die Konzentration unter Standarddosierung bis in den toxischen Bereich ansteigen kann. Für das DPYD-Gen sind eine Reihe von Genvarianten beschrieben, die zu einer veränderten DPYD-Enzymaktivität führen. Die häufigste Ursache (~40%) für eine reduzierte bzw. fehlende Enzymaktivität ist eine Punkt-mutation, die ein Exonskipping verursacht (Exon 14-Skipping-Mutation; DPYD*2A-Allel). Etwa 1 bis 3% der Europäer sind heterozygote (=partielle DPYD-Defizienz) bzw. 0,01% homozygote Träger (=komplette DPYD-Defizienz) dieser Mutation. Bei einer kompletten DPYD-Defizienz ist die 5-FU-Therapie kontraindiziert. Eine partielle DPYD-Defizienz bedingt eine Dosisanpassung sowie eine Therapiekontrolle.

Paclitaxel-Toxizität → CYP2C8-Genanalyse

Das Cytochrom P450 2C8 (CYP2C8)-Enzym ist am Metabolismus des Zytostatikums Paclitaxel sowie weiterer Arzneimittel, wie z. B. von Statinen (Simvastatin, Fluvastatin) und Anal-getika (Diclofenac, Ibuprofen, Paracetamol) beteiligt. Die häufigste genetische Variante in der europäischen Bevöl­kerung CYP2C8*3 ist mit einer reduzierten Aktivität des Enzyms assoziiert. Bei Vorliegen dieses Allels ist die Umsatzrate von Paclitaxel auf ca. 15% im Vergleich zum Normwert verringert. Als Folge des verzögerten Abbaus können unter Standarddosierung verstärkt unerwünschte Nebenwirkungen auf-treten. Rund 13% der Europäer sind hetero­zygote und 1,7% homozygote Träger des CYP2C8*3-Allels.

Pharmakogenetische Analysen

  • TPMT: *2-, *3A-, *3B-, 3C-Allel
  • UGT1A1: *28-Allel
  • DPYD: *2A-Allel (Exon-14-Skipping)
  • MTHFR: C677T, A1298T
  • CYP2C8: *3-Allel

Wichtige Hinweise zu Anforderung und Probenmaterial

  • Probenmateriad: 2 ml EDTA-Blut
  • Versand: Fahrdienst oder normaler Postweg (bei Raumtemperatur)
  • Untersuchungsdauer: 3-10 Tage nach Probeneingang
  • Unterlagen: Zusätzlich zum Auftrags-/Überweisungsschein benötigen wir eine vollständig ausgefüllte Ein­willigungserklärung gemäß Gendiagnostikgesetz (separat oder Teil des Anforderungsscheines 'Humangenetik'). Vordrucke sind erhältlich über unsere Praxisbetreuung (Tel. 030-77001-460) oder unsere Webpage http://humangenetik.imd-berlin.de

Abrechnung

Eine Abrechnung im kassen- und privatärztlichen Bereich ist gegeben. Genetische Unter-suchungen berühren nicht das Laborbudget.

Ansprechpartner für medizinisch-technische Fragen

Dr. med. Thomas Rasenack

trasenack@imd-berlin.de

030 77 001-131

M.Sc. Mandy Koch

mkoch@imd-berlin.de

030 77 001-138

Literatur / Weblink

  • Fachinformationen der Arzneimittel
  • Swen et al. (2011): Pharmacogenetics: From Bench to Byte-An Update of Guidelines. Clinical pharmacology & Therapeutics 89(5):662-673.
  • Deufel et al. (2004): Richtlinie: labormedizinische Diagnostik bei der Therapie mit TPMT (Thiopurin-S-Methyltransferase) -abhängigen Pharmaka. J Lab med 28(6):477-482.
  • Lazar und Jetter (2008): Pharmakogenetik in der Onkologie: 5-Fluorouracil und die Dihydropyrimidin-Dehydrogenase. Dtsch Med Wochenschr. 133:1501-4.
  • Cóte et al. (2007): UGT1A1 Polymorphism Can Predict Hematologic Toxicity in Patients Treated with Irinotecan. Clin Cancer Res 13(11):3269-3275.
  • Hider et al. (2007): The pharmacogenetics of metho-trexate. Review. Rheumatology 46:1520-1524. • Dai et al. (2001): Polymorphisms in human CYP2C8 decrease metabolism of the anticancer drug paclitaxel and arachidonic acid. Pharmacogenetics 11(7):597-607.
  • The Pharmacogenomics Knowledgebase' (http://www.pharmgkb.org/).