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Medizingeschichte und Vitamin D

Im 16. Jahrhundert erfolgte die erste Krankheitsbeschreibung der Rachitis, die später als Englische Krankheit bezeichnet wurde. Meilensteine der Therapie waren im 18. Jahrhundert erste Versuche mit Licht und 1824 die Anwendung von Lebertran. Nachdem Brockmann aus Fischöl das Vitamin D isolierte, klärte Adolf Windaus Anfang des 20. Jahrhunderts die chemische Struktur von Vitamin D auf. Er erhielt dafür 1928 den Nobelpreis für Chemie.

Physiologie und Quellen

Die Vorstufen (Vitamin D3 und D2) des Vitamin D werden mit der Nahrung aufgenommen. Aber erst eine Sonnenexposition (ultraviolette Strahlung - UVB) induziert die körpereigene Synthese des Vitamin D. Das Ausmaß der Bildung hängt von verschiedenen Faktoren wie Jahreszeit, Bekleidung, Hauttyp und nicht zuletzt der geographischen Breite des Aufenthaltsortes ab.

Biochemie

Aus dem Vorläufer 7-Dehydrocholesterol wird in der Haut durch Photoisomerisierung bei UVB-Exposition (Wellenlänge 280 - 315 nm) zunächst Cholecalciferol (Prävitamin D3) gebildet. Der Wirkungsgrad der UVB-Strahlung ist stark von Faktoren wie Bewölkung, Ozonschicht, Höhe, Reflexion (Schnee) abhängig. Das Maß dafür ist der UV Index. Untersuchungen zeigen, dass dieser in Deutschland in den Wintermonaten aufgrund des Einfallswinkels der Sonne mit nachfolgender UVB-Reflexion unzureichend für eine effiziente Vitamin D-Bildung ist. Es sei darauf hingewiesen, dass der UVB Anteil aber auch Hautkrebs (Basaliom) verursachen kann. In der Leber wird D3 dann zu 25-Hydroxy-Vitamin D (25-OH Vitamin D) metabolisiert und kann als intermediärer Metabolit gespeichert oder in die Blutzirkulation freigegeben werden. Nach Rückkopplung aus dem Calcium- oder Phosphatstoffwechsel wird, insbesondere in der Niere (CYP27B1)1 und teilweise in der Leber (CYP2R1, CYP27A1)1, die biologisch aktive Form 1,25(OH)2 Vitamin D gebildet. Eine große Anzahl von Zielorganen, unter anderem Niere, Darm und Knochen, verfügen über Rezeptoren für die aktive Form von Vitamin D. Dabei ist die Rezeptoraffinität von25-OH Vitamin D zwar 100-500fach niedriger, die Blutkonzentration aber ca. 1000fach höher als dievon 1,25-(OH)2 Vitamin D.

Abbau

Der Abbau von 25(OH)-Vitamin D und 1,25(OH)2 VitaminD erfolgt nach Stimulation des Pregnan X Rezeptors, welcher das Enzym 24-Hydroxylase aktiviert.

Quellen

Übliche Nahrungsmittelquellen tragen weniger zu einem ausreichenden Vitamin D-Spiegel bei, wobei der genaue Anteil stark variiert und von der individuellen Ernährung, sowie saisonalen Faktoren abhängt. Dieser Anteil beträgt aber weniger als 10% des gesamten Vitamin D-Gehaltes. Fische, insbesondere die stark fetthaltigen Arten, sind die gehaltvollsten Vitamin D-Träger in der Ernährung. Fleisch, Ei und Milchprodukte enthalten deutlich geringere Mengen an Vitamin D. In einigen Ländern (u.a. Skandinavien, Großbritannien) wird Vitamin D der Margarine, Cerealien oder anderen Lebensmitteln zugesetzt. Unter dem Blickwinkel der in unserem Kulturkreis üblichen Nahrungszusammensetzung wird der Vitamin D-Spiegel, gemessen als 25-Hydroxy-Vitamin D im Serum, nur mäßig oder gering beeinflusst. Vitamin D ist auch als Medikament (z.B. Vigantoletten®, Dekristol®) verfügbar.

Referenzbereiche

Die 25-OH-Vitamin D-Konzentration dient als allgemein akzeptierter Parameter zur Beschreibung der allgemeinen Vitamin D-Versorgungslage des Patienten. Eine zusammenfassende Evidenzbewertung der DGE zu Krankheiten in Abhängigkeit von der VitaminD Konzentration finden Sie in Tabelle 1. Die 1,25-(OH)2-Vitamin D-Konzentration im Blut dagegen beschreibt insbesondere die Calciumhomöostase und damit den Knochenstoffwechsel. Mit der Bestimmung von 1,25-(OH)2-Vitamin D, Parathormon, Phosphat und Calcium können somit ergänzende Aussagen getroffen werden.

Fazit

In Deutschland sind praktisch alle Bevölkerungsgruppen (Ausnahme: Säuglingsalter) als vulnerabel für einen Vitamin D-Mangel anzusehen. Ursachen sind:

  • Unzureichende UVB-Exposition (Winter, Senioren, Veränderungen des Arbeitsumfeldes wie zunehmende Büroarbeit, ethnische Gründe wie Burka,...)
  • Hautalter und Hautbeschaffenheit (Senioren)
  • verminderte alimentäre Vitamin D-Zufuhr
  • weitere Ursachen (Adipositas)

Pathologie

In den letzten Jahren wurden neben den bekannten Wirkungen des Vitamin D für den Knochenaufbau und das neuromuskuläre System vermehrt präventive Effekte in Bezug auf chronische Erkrankungen, insbesondere kardiovaskulärer Art und maligne Neubildungen, diskutiert. Antiproliferative Wirkungen sowie Einflüsse auf die Zelldifferenzierung und Angiogenese werden unter anderem als Mechanismen diskutiert und aktuell intensiv erforscht. Für bestimmte Krebserkrankungen wie Darm- und Brustkrebs mehren sich Hinweise aus epidemiologischen Beobachtungsstudien, dass hohe Vitamin-D Spiegel protektiv wirken könnten. Allerdings gibt es neben der Frage, wie gesichert diese Effekte sind, wissenschaftlich bisher keine Einigkeit über den optimalen Vitamin D-Gehalt im Serum (Tabelle 2), der solche schützenden Wirkungen vermitteln würde. Zudem bestehen Kontroversen über die Wege, wie in der breiten Bevölkerung ein ausreichender Vitamin D-Spiegel zu erreichen ist. Tabelle 3 gibt einen Überblick über einige laufende Metastudien zur Vitamin D-Substitution.

Vitamin D und Medikamentenverfügbarkeit

Erste, noch zu bestätigende Hinweise (12. International Congress of Therapeutic Drug Monitoring & Clinical Toxicology Stuttgart Oktober2011) weisen auf eine mögliche Beeinflussung der CYP3A4 abhängigen Medikamentenverstoffwechselung hin. Damit würden z.B. Medikamente wie Immunsuppressiva, Quetiapin, Carbamazepin bei höheren Vitamin D Spiegeln verstärkt abgebaut werden. Darüber hinaus senken Stoffe, die den Pregnan-X-Rezeptor aktivieren, den Vitamin D-Spiegel.

Welche Wirkstoffe sind zu beachten?

  • Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin)
  • Zytostatika (Cyclophosphamid, Paclitaxel,Tamoxifen)
  • Antibiotika (Clotrimazol, Rifampicin)
  • Corticoide (DMS)
  • Antihypertonika (Nifedipin, Spironolacton)
  • Virostatika (Ritonavir, Saquinavir)
  • Hormone (Cyproteronacetat)

Auch die freiverkäuflichen Phytopharmaka Johanniskraut (Hyperforin) und Kava Kava haben eine solche Vitamin D-senkende Wirkung.

Therapie (siehe auch Tabelle 4)

Die Aufnahme von Vitamin D über die normale Nahrung dürfte nur in Ausnahmefällen, etwa durch den regelmäßigen Genuss von Fischölen, steigerbar sein. Als grundsätzliche Maßnahme in der klinischen Praxis und der gezielten Gesundheitsförderung ist eine maßvolle Steigerung der individuellen Sonnenlichtexposition unter Beachtung von UV-Schutzmaßnahme nzu erwägen. Dazu zählen zum Beispiel mehr körperliche Aktivität im Freien. Hier wirkt neben der Vitamin D-Bildung im Teilbereich der Osteoporoseprophylaxe auch die Induktion der Osteozytenbildung und die Herz-Kreislauffördernde Wirkung positiv. Als wirksame Alternative bietet sich wahrscheinlich nur die Vitamin D-Supplementation an. Insbesondere bei klinisch relevantem Vitamin D-Mangel wird die orale Einnahme von Vitamin D als Behandlungsmaßnahme indiziert sein. Es muss aber hier auf die deutlich diskrepanten Dosisempfehlungen der DGE und anderer Quellen verwiesen werden. Die DGE stellt fest, dass nur Säuglinge und ältere Menschen von einer Vitamin D-Substitution profitieren (Pressemitteilung DGE, 8.2.2011 aus cme 2.2011:4). Es bedarf noch einer abschließenden Bewertung, inwieweit gegebenenfalls höhere Dosierungen von Vitamin D je nach individuellem Vitamin D-Status, Jahreszeiten oder Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe (Kinder, ältere Menschen, Migranten etc.) gegeben werden. Andere Autoren (Grant 20112) weisen auf die Notwendigkeit einer hohen Substitution zur Vermeidung von Folgeerkrankungen und finanzieller Belastungen des Gesundheitssystems hin.

Ist eine Vitamin D-Intoxikation möglich?

Deutlich vermehrtes Vitamin D führt zur verstärkten Absorption von Calcium und Phosphat. Dadurch können Folgererkrankungen verursacht werden, wie z.B. Weichteilverkalkungen, Calcinose der Nieren, Gefäßverkalkung. Es sind keine Fälle bekannt, dass durch Ernährung oder verstärkte Sonneneinstrahlung toxische Werte von Vitamin D im Blut erreicht wurden. Durch übermäßig hohe Substitution aber ist dies möglich. Betrachtet man die Fälle mit Intoxikation in Bezug auf die Prävalenz des Vitamin D-Mangels ist eine klare Aussage zu treffen, dass die Intoxikation der Einzelfall beim Erwachsenen ist. Beschriebene Intoxikationsfälle haben das ca. 30-400fache der empfohlenen Menge eingenommen.

Indikation zur Bestimmung

25-OH-Vitamin D3 wird bestimmt bei klinischem Verdacht auf einen Vitamin D-Mangel. 1,25-(OH)2-Vitamin D3 wird bestimmt, wenn der Vitamin D-Stoffwechsel gestört ist und ein erhöhter Kalziumspiegel im Blut abgeklärt werden soll. Mit der Bestimmung von 1,25-(OH)2 Vitamin D3 können Metabolisierungsstörungen im Vitamin D-Stoffwechsel erfasst werden, denn die Konzentration spiegelt die Aktivität der 1a-Hydroxylase in der Niere wider. Diese bildet aus 25-OH-Vitamin D3 den wirksamen Metaboliten 1,25-(OH)2-Vitamin D3. Parathormon reguliert zusammen mit Vitamin D und Calcitonin die Calciumhomöostase. Niedrige Vitamin D-Spiegel verursachen einen Parathormonanstieg. Somit ist mit der primären Betrachtung von 25(OH) Vitamin D, Parathormon und Calciumeine gute Beurteilung der Calciumhomöostase gegeben. Zuweilen werden bei erniedrigtem 25(OH)Vitamin D mild erhöhte, bzw. im oberen Referenzbereich liegende 1,25-(OH)2-Vitamin D3-Werte erhoben. Dies kann verursacht werden durch eine Induktion der 1a-Hydroxylase Aktivität.

Zusammenfassung

  1. In Deutschland ist aufgrund der geografischen Lage in der sonnenarmen Zeit mit deutlich verminderter Vitamin D-Bildung in der Haut zu rechnen.
  2. Menschen > 60. LJ und bei Hautalterung haben ganzjährig eine verminderte Vitamin D-Bildung in der Haut.
  3. Menschen mit dunkler Hautfarbe bilden weniger Vitamin D.
  4. Menschen, die sich aus religiösen oder anderen Gründen verhüllen, sind verstärkt gefährdet, in eine Vitamin D-Mangelsituation zu kommen.
  5. Die Aufnahme von Vitamin D über die Nahrung lässt sich nur in Ausnahmefällen (Fischöle) so steigern, dass eine nachhaltige Beeinflussung des Vitamin D-Spiegels erfolgt.
  6. Der 25(OH) Vitamin D-Spiegel ist das Maß der Vitamin D-Versorgung im Körper.
  7. Zielwerte, Substitutionshöhe, Folgen eines Vitamin D-Mangels sind umstritten und nur teilweise evidenzbasiert.
  8. Verschiedene Medikamente verursachen bzw. verstärken iatrogen einen Vitamin D-Mangel.

Literatur

  1. Lehmann, B., Zur Physiologie von Vitamin D; Vitamin DUpdate 2011; Berlin April 2011.
  2. Grant, B., Epidemiologicalevidence for health benefitsfrom ultraviolet-B irradiance and vitamin D: Vitamin DUpdate 2011; Berlin April 2011.
  3. Dobnig, H., Wirkung von Vitamin D auf Muskulatur undFitness: Vitamin D Update 2011; Berlin April 2011.
  4. Krause, R., Vitamin D und Niere; Vitamin D Update 2011;Berlin April 2011.
  5. A. Zittermann: Vitamin D in der Präventivmedizin; 1. AuflageBremen; Uni-Med. 2010.