Angioödeme sind umschriebene Gewebsschwellungen, die häufig rezidivieren und im Gegensatz zu Ödemen transient auftreten. Verursacht werden sie durch eine Freisetzung vasoaktiver Mediatoren. Man unterscheidet Mastzell-vermittelte, histamininduzierte Angioödeme von Bradykininvermittelten Angioödemen, die auf verstärkten BradykininEffekten beruhen. Daneben existieren noch idiopathische Formen, bei denen der Mediator unbekannt ist (Abb. 1). Neben der Haut können insbesondere bei den Bradykininvermittelten Angioödemen auch die Atemwege und der Magen-Darm-Trakt befallen sein. Dies kann sich als Atemnot oder als krampfartige Bauchschmerzen, Diarrhoe oder Erbrechen äußern.
Ein Mastzell-vermitteltes Angioödem tritt entweder im Rahmen einer IgE-vermittelten Typ 1-Allergie oder durch eine Pseudoallergie auf. Bei einer Pseudoallergie handelt es sich um eine IgE-unabhängige Mastzellaktivierung. Klinisch lassen sich die Mastzell-vermittelten Angioödeme von den Bradykinin-vermittelten Formen durch ihren Expositionszusammenhang mit Allergenen, eine möglicherweise auftretende Anaphylaxie, begleitende Quaddelbildung sowie das Ansprechen auf Antihistaminika abgrenzen. In unklaren Fällen kann eine im Anfall vorgenommene Bestimmung der Tryptase und des Histamins im Vollblut hilfreich zum Nachweis einer Mastzellaktivierung sein. Bradykinin-vermittelte Angioödeme werden durch eine verstärkte Bildung oder einen verminderten Abbau von Bradykinin verursacht. Im ersten Fall führt ein Mangel an C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH) zu einer erhöhten Synthese, im zweiten Fall blockieren ACE-Hemmer den BradykininAbbau. Allergene Trigger sind nicht beteiligt (Abb. 2).
Ist ein Mastzell-vermitteltes Angioödem durch fehlendes Ansprechen auf Antihistaminika ausgeschlossen, erfolgt zur Abklärung der Bradykinin-vermittelten Form gemäß aktueller EAACI-Leitlinie [1] die Bestimmung der Konzentration und der Aktivität des C1-Esterase-Inhibitors (C1- INH) sowie des Komplementfaktors C4 (Abb. 3). Letzterer ist auf Grund der C1-INH-Mangel bedingten Überaktivierung der Reaktionskette des Komplementsystems vermindert und gilt als bestätigender Messwert.
Die angeborene Form des Angioödems (Hereditäres Angioödem; HAE) tritt in zwei Formen auf. In 85 % der Fälle liegt ein HAE-1 vor, bei dem es durch Mutationen im SERPING1- Gen zu einer verminderten Bildung von C1-INH kommt. Beim HAE-2 verursachen SERPING1-Mutationen einen Funktionsverlust des C1-INH bei normaler oder sogar erhöhter Konzentration. Es sind insgesamt mehr als 450 unterschiedliche SERPING1-Mutationen bekannt. In der Mehrzahl der Fälle werden diese autosomal-rezessiv vererbt, bei ca. 20 % der Patienten handelt es sich um Neumutationen. Eine genetische Diagnostik kann in Einzelfällen hilfreich sein, in der Regel ist jedoch die phänotypische Diagnostik für die Diagnosestellung ausreichend (siehe Musterbefund Abb. 4).
Bei leerer Familienanamnese und einer Erstmanifestation im Alter von mehr als 30 Jahren kann ein C1-INH Mangel auch erworben sein (erworbenes Angioödem, AAE). Ursächlich kann hier ein verstärkter Verbrauch bei lymphoproliferativen Erkrankungen oder das Vorliegen von Autoantikörpern gegen C1-INH sein. Labordiagnostisch ist neben einer erniedrigten C1-INH Konzentration und Aktivität auch eine verminderte Konzentration der Komplementfaktoren C4 und C1q charakteristisch (Abb. 3).
Wurde bei einem klinischen Verdacht auf HAE keine Verringerung der Konzentration und/oder Funktion des C1-INH nachgewiesen, sollten die Untersuchungen während einer erneuten Attacke wiederholt werden. Ist das Ergebnis erneut unauffällig, können in Abhängigkeit von der Familienanamnese auch andere Ursachen für das Angioödem in Frage kommen. Bei familiärer Häufung von Angioödemen kommen hierfür Mutationen in den Genen für Faktor XII, Angiopoetin oder Plasminogen in Betracht. Ohne familiäre Häufung kommt ein idiopathisches Geschehen in Frage.
Auch ACE-Hemmer können mit einer Prävalenz von 0,1-0,7 % Angioödeme verursachen. Sie manifestieren sich typischerweise innerhalb von 4 Wochen nach Beginn der Therapie, das Abb. 3 Schema zum diagnostischen Vorgehen und zur Einteilung der Angioödeme (AE), HAE = hereditäres Angioödem, AAE = erworbenes Angioödem Risiko bleibt aber dauerhaft erhöht. Auch bei einer eindeutigen Assoziation zwischen der Gabe eines ACE-Hemmers und dem Auftreten eines Angioödems ist eine Bestimmung der Konzentration und Funktion des C1-INH sowie des Komplementfaktors C4 notwendig, um auszuschließen, dass der ACE-Hemmer in diesen Fällen nur als Trigger für die Manifestation eines eigentlich zu Grunde liegenden hereditären Angioödems wirkt.
Abb. 4 Musterbefund
C1-Esterase-Inhibitor (Masse) 1 ml Serum
C1-Esterase-Inhibitor (Aktivität) 1 ml Citrat-Plasma (Bei Einsendung über Nacht tiefgefroren einsenden)
C4-Komplement 1 ml Serum
C1q-Komplement 1 ml Serum
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